„Ich meditier‘ mir hier ’nen Wolf… und es bringt nix!“ – Wenn Meditation zu Stress wird
Kennst du das: du machst alles 110%, wenn du dich zu einer neuen Sache, die dir gesundheitlich helfen soll, committest. Du ernährst dich sowas von gesund, achtest auf alles, was dir schaden könnte, trinkst keinen Wein, isst keine Schokolade und meidest Kohlenhydrate wie der Teufel das Weihwasser. Vielleicht verzichtest du ja auch schon auf deinen Kaffee am Morgen und hast dem Alkohol ja sowieso schon seit Jahren abgeschworen. Außerdem meditierst du fleißig – natürlich jeden Morgen! Vielleicht entspannst du sogar täglich öfters mal zwischendurch, gehst regelmäßig zum Yoga, machst spezielle Atemübungen, trägst am Abend eine Blaulichtfilter-Brille und die progressive Muskelentspannung am Abend gehört auch schon zu seinem Ritual. Und trotz all dem Invest deinerseits haben all die positiven Aktivitäten leider so gar keinen positiven Effekt auf deine Kopfschmerzen und Migräne.
Trotz all dem Invest..?
Statt „trotz“ sollte man eher wahrscheinlich eher „wegen“ sagen!
Es ist nämlich so, dass jede dieser Aktivitäten für sich alleine eigentlich eine richtig gute Sache ist… Außer, man führt sie mit einer bestimmten Gesinnung und Einstellung durch: sobald wir uns sehr fest auf die Themen versteifen und sie als zwingende Maßnahmen sehen, dass es uns besser geht, verschlimmern wir eigentlich unseren Zustand dadurch nur. Durch diese zusätzlichen Anspannungen (immer an die Dinge zu denken, die man tun will, weil es einem so schlecht geht, und einen enormen Druck verspürt, alle Dinge immer durchzuziehen und ja keine Ausnahmen zuzulassen) versetzen wir unser Gehirn einfach noch zusätzlich in einen Stress-Zustand, auf den der Körper gerade bei chronischen Schmerzerkrankungen dann mit was reagiert? Na, natürlich mit „mehr Schmerzen“!
Weniger ist einfach mehr – gerade bei Schmerzerkrankungen
Wenn jede eigentlich positive Aktion von unserem Gehirn als zusätzlichen Stress interpretiert wird, das wiederum gemäß der ausgestrampelten Pfade (Stichwort: Neuroplastischer Schmerz) entsprechend mit weiteren Schmerzen reagiert, ist jede Bestrebungen in diese Richtung somit kontraproduktiv!
Es bleibt uns nichts anderes übrig, als uns wirklich vor unserem Körper zu ergeben: erst durch das Loslassen und das Aufhören des „ erzwingen Wollens“ erreichen wir die für unser Gehirn und unseren gesamten Körper so notwendige Entspannung.
Je mehr ich mich verbissen mit den Schmerzen und möglichen Maßnahmen (spezielle Ernährungstechniken, besondere Nahrungsergänzungsmittel, hilfreiche Übungen oder Tipps und Routinen) beschäftige, desto mehr sind die Schmerzen auch Teil meines Lebens. Je mehr allerdings die Schmerzen auch für mich als Thema in den Hintergrund treten, weil ich andere Dinge fokussieren oder mich auch mit anderen Aktivitäten ablenke, desto weniger präsent sind die Schmerzen in meinem Leben.
Heißt das, die Lösung ist ignorieren und gar nichts tun?
Nein, vielmehr geht es darum, es eben nicht alles in „Schwarz oder Weiß“ einzukategorisieren, sondern sich die Graustufen zu erlauben! Alles, was man mit Freude und Leichtigkeit für sein Wohlbefinden tut, wird immer nur positive Auswirkungen für einen haben. Sobald man aber merkt, dass man ‚zu ernst‘ wird, oder dazu tendiert, ‚die Sache zu übertreiben‘, sollten unsere Warnsignale angehen! Immer dann, wenn eine Aktivität nicht mehr mit reiner Freude und Leichtigkeit integrierbar ist, müssen wir die Bremse einlegen und unsere Intentionen neu überdenken: zum Beispiel wird die anfänglich genüßliche Yoga Session am Morgen plötzlich als lästige Pflicht angesehen, die man zwischen all den anderen Aktivitäten ja auch noch irgendwie unterbekommen muss und dann halt aufgrund seines eigenen Perfektionismus gestresst hinter sich bringt! Dann dürfen wir uns fragen, ob diese verbissen durchgeführte Yoga Session uns noch den gleichen gesundheitlichen Nutzen bringt, den wir uns versprechen und wegen dem wir die Sache initial begonnen hatten.
Es geht also darum, es zu üben, Dinge für das eigene Wohlbefinden zu tun, aber in einem Ausmaß, dass es einem auch gut tut und nicht direkt wieder schadet. Wichtig ist, dem Gehirn jeden Tag öfters das Gefühl der Entspannung und Ruhe zu geben und darauf zu achten, dass unsere Aktivitäten in dieser Hinsicht auch immer noch diese positiven Auswirkungen mit sich bringen. Was mit der besten Intention begonnen wird, soll nicht weitergeführt werden, wen dessen Durchführung zusätzlichen Stress mit sich bringt. Dies ist vor allem oft beim Thema Ernährung und irgendwelchen Einschränkungen und Restriktionen der Fall! Sobald Essen dann kein Genuß mehr darstellt, sondern zum Stressfaktor wird, ist es eigentlich egal, was reingesteckt wird: den gesundheitlichen Nutzen hat es aufgrund der erhöhten Stress-Situation im Körper dann leider nicht mehr! Diese Gefahr liegt bei vielen Migräne-Patienten, die verbissen sich versuchen an eine ‚Anti-Migräne-Diät‘ zu halten, die Ihnen aber ggf. überhaupt nicht entspricht und die dadurch auch nicht zu den positiven Ergebnissen führen kann, wie man sich von ihnen erhofft.
Mehr Hintergrund-Infos gefällig?
Es gibt hierzu einen hervorragenden Beitrag von Alan Gordon im Podcast „Tell me about your pain“ in Zusammenarbeit mit Curable (über die ich ja schon berichtet habe, unter anderem hier: Neuroplastischer Schmerz – eine echte Hoffnung für alle chronischen Schmerzpatienten!). In der Folge I‘m trying to get rid of my pain, why isn’t it working? wird genau dieses Verhalten bei der chronischen Schmerzpatientin Paula aufgedeckt und mit ihr Maßnahmen erarbeitet, wie sie ganz konträr zu ihrem bisherigen Vorgehen an ihrer Gesundheit aktiv mitwirken kann, ohne durch zu viel Intensität die Schmerzen dadurch noch zu verschlimmern. (Der Podcast ist leider nur in englischer Sprache verfügbar).
Bild von ErikaWittlieb auf Pixabay


